IDEOLOGIE – ein Begriff und seine Interpretationen

Der Begriff Ideologie steht für ein System von Ideen, also eine Weltanschauung oder eine gesamthafte Betrachtung und gleichzeitige Erklärung des Betrachteten; als solcher ist er zunächst neutral, weil er nur etwas bezeichnet, was als Erkenntnisvorgang im menschlichen Verstand stattfindet.

Allerdings hat der Begriff bei vielen Zeitgenossen einen schlechten Ruf, weil er – warum auch immer – als Vorwurf benutzt wird, um Diskussionspartner und -Gegner zu diskreditieren. Anwürfe wie „Das ist rein ideologisch, was du sagst!“ oder ein verächtliches „Das ist ein Ideologe!“ unterstellen den Argumenten eines Gegenübers ein Defizit, das lediglich in der Vorstellung desjenigen existiert, der die Unterstellung äußert.

Das Defizit bestünde darin, dass eine Ideologe, dass ideologisches Argumentieren interessegeleitet ist, einseitig und auf gewisse Weise verbohrt, jedenfalls aber die Fakten zugunsten der eigenen Vorurteile hintanstellend.

Umgangssprachlich hat sich diese negative Assoziation eingebürgert. Wie es klingt, wenn man solchen falschen Konnotationen nicht folgt und ganz selbstverständlich den Begriff als Kennzeichnung eines Sachverhaltes (dessen, der die ordnende und systematisierende gedankliche Strukturierung bezeichnet) benutzt, zeigt ein Zitat von Wladimir Iljitsch Lenin :

„Die erste Pflicht derjenigen, die „Wege zum menschlichen Glück“ suchen wollen, besteht darin, sich nicht selbst zu täuschen, sondern den Mut zu haben, offen zuzugeben, was existiert.

Und wenn die Ideologen der Arbeiterklasse dies verstehen und fühlen, dann werden sie erkennen, dass die „Ideale“ nicht darin bestehen sollten, die besten und unmittelbarsten Wege zu bauen, sondern die Aufgabe und die Ziele jenes „schweren Kampfes der sozialen Klassen“ zu formulieren, der sich vor unseren Augen in unserer kapitalistischen Gesellschaft abspielt; dass der Maßstab für den Erfolg der eigenen Bestrebungen nicht die Entwicklung von Ratschlägen an „die Gesellschaft“ und „den Staat“ ist, sondern das Ausmaß, in dem diese Ideale in einer bestimmten Klasse der Gesellschaft verbreitet werden; dass die höchsten Ideale nichts wert sind, solange man es nicht geschafft hat, sie untrennbar mit den Interessen der am wirtschaftlichen Kampf Beteiligten zu verschmelzen, sie mit den „engen“ und kleinlichen Alltagsfragen dieser Klasse zu verschmelzen.“

W.I. Lenin. Der ökonomische Gehalt des Populismus und seine Kritik im Buch von Herrn Struve.

Eine Antwort zu „IDEOLOGIE – ein Begriff und seine Interpretationen“

  1. Avatar von Bernd Bellefontaine
    Bernd Bellefontaine

    „Der Begriff Ideologie steht für ein System von Ideen, also eine Weltanschauung oder eine gesamthafte Betrachtung und gleichzeitige Erklärung des Betrachteten; als solcher ist er zunächst neutral, weil er nur etwas bezeichnet, was als Erkenntnisvorgang im menschlichen Verstand stattfindet.“

    Vielleicht merkst du ja, dass es sich bei dieser Definition um einen Zirkel handelt. Der Begriff Ideologie soll eine gesamthafte Betrachtung und gleichzeitige Erklärung des Betrachteten sein. Und was ist nun eine gesamthafte Betrachtung und gleichzeitige Erklärung des Betrachteten? Richtig: „Ideologie“.

    Das Entscheidende, Substanzielle fehlt in dieser Definition, nämlich, dass die Ideen sich darin von der Lebenswirklichkeit verselbstständigt haben, dass also von daher die Betrachtung des Gegenstandes die weltanschauliche Idee schon zur Voraussetzung hat. Wenn also in diesem Kontext eine Idee falsch ist oder nicht an der Wirklichkeit überprüft werden kann, und wird diese bei der Erklärung des Gegenstandes angewendet, dann ist folgerichtig die wirkliche Erklärung falsch oder unbrauch- weil nicht überprüfbar. Ideologisch kann man mit ihr jedoch zu richtigen Schlussfolgen kommen.

    Wissenschaft, indessen bedarf keiner vorangestellten weltanschaulichen Idee zur Erforschung eines Gegenstandes. Das Verständnis an einem Gegenstand bzw. dessen Erklärung ergibt allein aus einer interessierten Fragestellung, die unterschiedlich motiviert sein kann (Wahrheitsfindung, Fortschritt, Not etc.). An diese Fragestellung schließt die objektive Analyse an, die qua der dialektisch-argumentativen Beweisführung im Fortgang ihrer Folgerungen das Wesen des Gegenstandes zunehmend konkreter werden lässt, bis schließlich die Fragestellung durch widerspruchsfreie Begründung beantwortet werden kann und damit die Erkennnis über den Gegenstand (vorläufig) wahr ist.

    „Allerdings hat der Begriff bei vielen Zeitgenossen einen schlechten Ruf, weil er – warum auch immer – als Vorwurf benutzt wird, um Diskussionspartner und -Gegner zu diskreditieren. Anwürfe wie „Das ist rein ideologisch, was du sagst!“ oder ein verächtliches „Das ist ein Ideologe!“ unterstellen den Argumenten eines Gegenübers ein Defizit, das lediglich in der Vorstellung desjenigen existiert, der die Unterstellung äußert.“

    Ideologie sollte man immer in einen wissenschaftlichen Zusammenhang behandeln und kritisieren. Bürgerliche Wissenschaft, jedoch, will sich damit hervortun, die Erklärung der Wirklichkeit wissenschaftlich zu betreiben, und wenn man das nicht tue, handele es sich um Ideologie. Von daher leitet sich dann auch der Begriff als schlechte Ruf i.S. einer weltfremden Theorie in der bürgerlichen Umgangssprache ab.

    Aber bürgerliche Wissenschaft selbst ist Ideologie, denn sie setzt die Verhältnisse, die sie erklären will axiomatisch als gegeben voraus, will diese in ihrer Analyse gar nicht in ihrer Wesenheit kritisieren, sondern lediglich die Erscheinungen, die Formen, die den Verhältnissen entspringen, objektiv und mit ausgefeilten Methoden erkären, um diese mit dem dabei erlangten Wissen einer suboptimalen Lösung zuführen und damit (politisch) handhabbar machen zu können. Bezüglich Letzterem ist bürgerliche Wissenschaft tatsächlich wissenschaftlich (wie es jede Ideologie sein kann), aber prinzipiell ist bürgerliche Wissenschaft eine Ideologie, denn sie basiert ja auf der affirmativen Zustimmung zu den politökonomischen Begriffen die sie erklären will und ist somit immer zirkelhaft. Wenn Ökonomen bei der Erklärung des Geldes als Grundgleichung salopp feststellen: Geld ist Zahlungsmittel, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel, dann man nur sagen: na und? Kurz, es handelt sich um eine Tautologie.

    Zu Lenin: Auch wenn der Hinweis auf die Aussagen der Klasssiker kein Beweis für die Richtigkeit einer Aussage, These etc. ist möchte ich darauf hinweisen, dass m. E. Marx den Begriff „Ideologie“ nie anders als in negativem Sinn verwendet hat. Sein erstes (unveröffentlichtes) Buch war gegen die „deutsche Ideologie“ gerichtet (Die Deutsche Ideologie, MEW 3). Marx hat m.E. nie von einer Ideologie der Arbeiterklasse im positiven Sinn gesprochen. Hier befinden sich die Klassiker also in einem antagonistischen Verhältnis.

    Hinsichtlich unseres Dissens wichtiger, jedoch, ist: wenn die bürgerliche (Gesellschafts) Wissenschaft, wie oben begründet, eine Ideologie ist, dann gilt es diese durch eine materialistische Wissenschaft – also einer Wissenschaft die sich an den Lebensbedingungen der Lohnabhängigen orientiert und deren Aussagen durch die Praxis verifiziert werden – bloßzustellen. Wenn durch die materialistische wissenschaftliche Theorie und radikale Kritik und Aufklärung dann die schädlichen Konsequenzen des Kapitalismus aufgedeckt und verständlich werden, ist das eo ipso im Interesse der Emanzipation der Lohnabhängigen, dann braucht man keine Gegenideologie (der Arbeiterklasse) gegen die bürgerliche Wissenschaft (also die Nachahmung der Dummheit bürgerlicher falscher Erklärung der Wirklichkeit, aber auf eine andere, proletarische Weise). Dann gilt es lediglich die wissenschaftlich-materialistische Kritik und Aufklärung massenhaft zu betreiben und die darauf folgenden Konsequenzen irgenswann in die Organisation der Lohnabhängigen als revolutionäre Kraft münden zu lassen.

    Für Kommunisten ist von daher materialistische Wissenschaft bzw. der wissenschaftliche Sozialismus die conditio sine qua non im Kampf um die Emanzipation der Lohnabhängigen. Mit Gegenideologie, indessen, begibt man sich auf das Feld der Lüge, Moral, Diffamierung und Gewalt. Damit stellt man sich lediglich in Konkurrenz zu allen anderen herrschenden (Neben) Ideologien. Das aber führt zur Parteilichkeit und damit Spaltung und Zersplitterung der Lohnabhängigen. Auf dieser Grundlage setzt sich dann die jeweils politische Ideologie durch, der es auf der Grundlage des bürgerlichen Bewusstseins gelingt, am überzeugensten zu lügen, diffamieren, moralisieren etc. und dem hin und wieder mit ein bisschen Gewalt nachzuhelfen ist. Na ja, und wie beschissen das für die Lohnabhängigen dann immer wieder ausgeht, wissen wir ja zur Genüge.

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